Wenn die Welt in Flammen aufgeht (2er-RPG mit Satoru/16+)

Neryll kam herausgerannt... auf dem Arm einen kleinen Jungen, der letzte Überlebende. Draußen ließ er den Jungen aus seinen Armen fallen und warf sich zu Boden... seine Hose hatte Feuer gefangen und er löschte die Flammen am Boden... "Das... das waren... alle..." Sagte er ziemlich heiser und verschwitzt... es gab vier Überlebende. Der Elfenjunge der dem toten Mädchen ziemlich ähnlich und vermutlich ihr Bruder war, eine etwas ältere Elfe die vorraussichtlich die Mutter der Kinder war und noch zwei Menschen, ein Ehepaar dessen Sohn tot am Boden lag... "Sie kamen aus dem Nichts." Erklärte der Mann aufgebracht. "Wir... wir konnten nichts tun..." Neryll nickte. Er hatte sich etwas erholt. "Ich verstehe nur nicht ganz... was machten die Elfen bei euch?" Der Mann lächelte leicht. "Wir leben hier im Wald und stehen zu niemandem feindlich... diese Familie suchte Unterkunft bei uns und wir gewährten es ihnen." Neryll lächelte leicht. "Es gibt wirklich noch gute Menschen auf dieser Welt..."

Lanaya nahm die Wasserflasche von ihrem Gürtel und reichte sie dem kleinen Elfenjungen. Ohne zu zögern nahm er sie und trank gierig daraus. Anschließend machte sie die Runde durch die Gruppe. Die ältere Elfin sah draußig drein. Innerhalb von Minuten hatte sie Tochter und Mann verloren. Lanaya ging zu ihr und legte ihr die Hand auf die Stirn. "Vater und Mutter werden ihnen knädig sein, sie erlösen und zurück zu ihres Gleichen führen.", flüsterte Lanaya leise. Die Mutter sah zu Lanaya und lächelte schwach. Dann verließ eine Träne ihr Auge und kullerte über ihre Wange. "Eure Worte ehren mich, danke." Die Elfenmutter holte nochmal tief Luft, ehe sie weiter sprach. "Sie hatten so etwas nicht verdient." Lanaya nahm ihre Hand wieder von ihrer Stirn und sah sie mitfühlend an. "Nein, niemand hat das. Dennoch solltet ihr nicht Weilen." Langsam ging die Mutter zu ihrem Sohn und strich ihm über das Haar. Der Junge schien nicht wirklich zu verstehen, was eben geschehen war. "Nein das werden wir nicht, sorgt euch nicht."

Neryll blickte zu dem Haus. "Und nun? Was werdet ihr jetzt tun?" Der Mann zuckte mit den Schultern. "Ich könnte nach Lohain zurückkehren, aber auch dort ist mir nicht groß geholfen... es ist nur eine Frage der Zeit bis hier alles den Bach runtergeht." Neryll nickte. "Dann kommt mit uns... wir wollen weg von hier und ich denke das wir euch mitnehmen können..." Doch der Mann schüttelte den Kopf. "Nein, es ist ein gutes Angebot, doch wir würden euren Marsch nur verlangsamen. Wir sind einfache Menschen und große Wege nicht gewöhnt." Neryll nickte. "Verstehe..." Er seufzte und sah Lanaya an. "Ich denke nicht das wir etwas für sie tun können, oder?"

"Doch eine Kleinigkeit.", sagte Lanaya zu Neryll. Damit wandte sie sich ab und ging zu dem kleinen Elfenmädchen. Sie hob es vorsicht an und legte es auf die Schwelle der brennenden Hütte. Anschließend tat sie das, mit der Hilfe der anderen Elfin, mit dem Mann auch. Es dauerte nicht lange, da brach das Dach über den Toden zusammen. "Mutter der Erde und Vater des Himmels ...", begann Lanaya zu sprechen mit einer leisen und beruhigenden Stimme, "... wir übergeben euch unseren Bruder und unsere Schwester, welche aus euren Händen entstammen, in eurem Kreis lebten und nun euch um Asyl bitten. Nehm sie erneut auf in eurem Reich. Reinigt sie und befreit sie von aller Schuld, Elend und Leid. Lasst sie in unsere Kreis einkehren, als die unsere." Eine kurze Pause setzte ein, in welcher der Wind die ersten Ascheflocken davon fliegen ließ. "Wir übergeben die Seele zurück an euch Vater und den Körper an euch Mutter. Behütet und beschützt sie auf ihrem Weg ins Licht." Dann kehrte wieder Stille ein, in welcher sich Lanaya dem brennenden Überresten abwandte und einen letzten Blick auf die Elfin war. Diese hatte die Augen geschlossen und schien zu beten, so auch ihr Sohn. Lanaya ging zurück zu Neryll. "Jetzt können wir gehen.", flüsterte sie leise und wusste doch, das die Elfin es vernommen hatte.

Neryll sah zu den beiden Menschen... mittlerweile sah man ihnen an das ihr Sohn tot war... sie rangen immer mehr um Fassung und Neryll seufzte. "Es tut mir leid um euren Sohn..." Der Mann nickte. "Wir werden ihn hir begraben... und dann nach Lohain zurückkehren." Dort kamen sie ursprünglich her und dort sollte irgendwann ihr Grab werden. Neryll blickte zu Lanaya. "Dann lass uns gehen..." Er hasste diese Zeiten. Natürlich war er Soldat geworden um Krieg zu führen, doch soetwas hier war kein Krieg... soetwas war ein Gemetzel...

Lanaya schwieg eine ganze Weile. Sie dachte über vieles nach und vorallem über den Weg, welchen sie gewählt hatte. Es dauerte eine Weile, bis sie zu ihm sah und ihn fragte: "Geht es dir gut oder hast du dich verletzt?" Ihre Worten klangen etwas trauriger als sonst. Denn obwohl sie die Elfen nicht kannte, verspürte sie den Schmerz in ihrem inneren. Doch so waren nunmal die Zeit und sie musste sich damit abfinden. So schrecklich das auch alles war, doch sie wusste, dass sie noch schlimmeres erleben würde. Aber erstmal schob sie die zermarderten Gedanken beiseite um sich auf Neryll zu konzentrieren. Seine Hose hatte Feuer gefangen und Brandwunden konnte sie sich im Moment nicht leisten. Noch dazu konnte er von den giftigen Gasen Schaden genommen haben.

"Es geht... ich hab nur etwas viel Hitze abbekommen, ein paar angesengte Haare, viel Ruß und leichte Verbrennungen..." Die Verbrennungen beschränkten sich auf einige gerötete Hautpartien an den Armen und Händen womit er versucht hatte den Tisch fortzuschieben. "Nichts was mich aufhalten würde..." Er lächelte ihr zu, dann wurde seine Miene aber wieder ernst. "Es hat sehr wehgetan, oder? Ich meine... dieses tote Mädchen. Soetwas sollte niemand tun..."

Sie holte Luft, weil sie etwas sagen wollte, doch schluckte sie dann die Worte herunter. Lanaya sollte nicht mit einem Außenstehenden darüber reden, noch dazu interessierte es ihn vielleicht gar nicht. Eine Weile blieb sie wieder still, wusste nicht, was sie sagen sollte. Doch dann siegte der Drang mit jemanden darüber zu reden. "Die Tatsache, das sie nicht die letzte war und ist, schmerzt. Ich meine, bei den Menschen ist es vielleicht auch so, aber ... sie ist doch meine Schwester, laut unserer Religion. Wir alle sind Brüder und Schwestern, eine große Familie, auch wenn wir auf der ganzen Welt zerstreut leben. Auch wenn ich das Mädchen nicht kannte ... es fühlt sich doch immer so an, als wäre jemand zu Vater und Mutter zurück gekehrt, den du dein lebenlang kanntest.", erzählte sie ihm ihren Schmerz. Es tat gut mit jemanden zu reden, da sie seit dem Tod ihres Bruders niemanden mehr hatte. Zumindest niemanden, dem sie damit zur Last fallen wollte.

Neryll blickte zu ihr. "Eure Religion... sie ist etwas besonderes..." Er blickte zum Himmel. "Zwischen euch besteht ein Band das fester ist als jeder Glaube... und der Schmerz den du verspürst beweist es." Er blieb irgendwann stehen... sie waren auf einem Hügel von dem man aus wunderbar die Sterne beobachten konnte. Er ließ sich ins Gras fallen und stützte die Hände auf den Boden. "Und ja, sie wird nicht die letzte sein... doch wir werden dafür sorgen das ihr Tod nicht unnütz war. Ihr Tod wird unseren Willen festigen... denn wir wollen das es endet, oder? Eine Welt in der keine Kinder mehr dem Krieg zum Opfer fallen müssen..." Er lächelte. "Eine Welt in der man als Kind lachen kann und nicht weinen muss weil die eigene Mutter sich Dinge antut die man als Kind nicht versteht..."

"Ging es dir so?", fragte sie ihn. Lanaya war neben ihm stehen geblieben und sah ihn an. Erst als er zu Ende gesprochen hatte und sie ihm ihre Frage gestellt hatte, setzte auch sie sich ins Gras. Sie zog die Beine an ihren Körper und legte die Arme darum. Ihr Kopf landete auf ihren Knien und dabei sah sie zu ihm hinüber. "Tat deine Mutter etwas, das du als Kind nicht verstanden hast, aber jetzt?", vervollständigte sie ihre Frage. Sie konnte sich so etwas kaum vorstellen. Für Lanaya gab es nur einmal den Moment, wo sie nicht verstand, warum ihre Mutter das tat. Das war der Eigenblick, als sie vor ihr starb. Als Kind hatte sie es nicht verstanden, warum ihre Mutter sie und ihren Bruder alleine auf der Welt ließ, warum sie einfach gegangen war. Doch heute wusste sie, das alles Leben nur begrenzt war und auch das ihre jede Moment enden könnte, wenn es Vater und Mutter wollten.

"Ja..." Neryll seufzte. "Meine Mutter hat sich früher oft selbst verletzt... kam oft mit verletzungen nach Hause..." Er biss sich auf die Unterlippe und Tränen zeigten sich in seinen Augenwinkeln, wollten aber nicht hinauskommen. "Einmal... ein einziges Mal bin ich nach Hause gekommen und sah etwas das mich verstörte... sie... sie stand auf... einem Stuhl. Die Hände waren schon um ein Seil gelegt, ein Seil das sie aufhielt... um eine Schlinge." Er schloss die Augen. "Ich wusste nicht was sie da Tat, aber vermutlich war mein Anblick es der sie davon abgehalten hat sich zu erhängen..." Das war die kritischte Phase ihres Lebens gewesen... der Punkt wo es absolut null war... wo sie dachte das nichts mehr wichtig war.

"Warum sollte jemand so etwas tun?", fragte sie ihn verwundert. Die Elfen hatten die Menschen noch nie verstanden, in vielen Dingen nicht. "Warum sollte jemand etwas so wertvolles und einzigartiges wegwerfen, vorallem wenn ihn jemand noch an diese Welt bindet?" Zwar hatte sie im Laufe der Jahre schon viele seltsame Dinge gehört, die die Menschen so betrieben. Jedoch noch längst nicht alle verstanden. Das Leben war kostbarer als jeder Schatz, wie sollte jemand es freiwillig hergeben. Damit würde man doch auch die Linie der Wiedergeburt unterbrechen und man würde auf ewig in der Welt gefangen bleiben. In ihren Augen nicht gerade sehr erstrebenswert.

"Es gibt Dinge im Leben die dich dazu bringen können dein Leben aufzugeben... die menschliche Psyche ist schwach und meine Mutter war ausgelaugt... wir hatten fast nichts zu essen, waren kurz davor den Haufen Holz den wir Haus nannten zu verlieren... vielleicht dachte sie das man mich irgendwo aufnehmen würde wo man besser für mich sorgen kann." Neryll zuckte mit den Schultern, wischte sich die Tränen von den Augen und blickte zu den Sternen. "Wir Menschen sind dumm... wenn es uns zu schlecht geht dann suchen wir Erlösung im Tod... zumindestens viele von uns."

"Erzähl mir davon.", bat sie ihn. Lanaya war neugierig geworden, denn sie verstand es einfach nicht. Sie rückte etwas näher an ihn heran und blickte dann zu ihm. "Erzähl mir von euer Religion, von der Welt außerhalb des Waldes, von euren Städten, bitte.", bat sie ihn nun genauer. Die Städte der Menschen waren einfach für jemanden wie sie schwer vorstellbar. Auf der einen Seite stellte sie sich diesen Ort wunderbar vor. Prunkvolle Bauten, Händler und Waren überall wo man hinsah, viele Gesichter die man jeden Tag neu kennenlernen konnte ... doch auch Armut und Gewalt. Doch ein richtiges konnte sie sich nie davon machen. Egal was sie auch tat, es landete immer wieder bei dem Lager der Clans der Elfen und sie war sich sicher, das Menschenstädte so nicht aussahen.

"In unserer Religion sind wir keine Familie... man könnte sagen das Herrschaft und Religion Hand in Hand gehen... wir Leben in einer Art Kastengesellschaft, unser Volk ist also in verschiedene Schichten unterteilt. An oberster Stellen steht der König, zur Rechten des Königs sind der fleischgewordene Engel... so nennt sich das Oberhaupt unserer Religion, denn wir verehren einen Gott... auch wenn ich immernoch bezweifle das es ihn gibt. Unter diesen beiden befinden sich die Richter und Weisen. Dann kommen die Handwerker und Bürger unter den Handwerkern sind die Arbeiter, nach den Arbeitern kommen die Sklaven und ganz unten sind sie Unberührten... Pariah, Ausgestoßene... man nennt sie bei vielen Namen. Arbeiter, Pariah und Sklaven leben in den Slums... das sind die Gossenviertel, jene Orte an denen Gewalt, Armut und Verzweiflung am stärksten sind. Handwerker und Bürger leben im Bürgerviertel, jene Orte die vom Leben erfüllt sind mit wundervollen Marktplätzen, Straßen und Festen. Die Oberschicht bilden die restlichen Kasten." Neryll seufzte. "Krieger können Menschen jeder Schicht werden, bis auf die Pariah. Pariah sind Familien von denen mindestens ein Mitglied die Oberschicht verletzt hat. Wenn der Sohn einer Bürgerfamilie versehentlich mit der Tochter eines Oberschichtlers zusammenrammt und diese sich dabei verletzt kann es sein das seine ganze Familie bald aus Ausgestoßenen besteht. Es besteht aber die Möglichkeit in den Schichten aufzusteigen, doch wer das darf das entscheidet der König." Er sah zu ihr und ein bitteres lächeln zeigte sich auf seinen Lippen. "Das macht keinen Sinn, oder? Unsere Religion ist ein schlechter Witz..."

Gossenvietel, Ausgestoßene, König, ein Gott, fleischgewordener Engel ... Lanaya bemühte sich, die Orientierung zu behalten, doch es fiel ihr schwer. Wie wo was und wer mit wem und wohin ... sie musste erstmal die ganzen erhaltenen Informationen verarbeiten. Ein gewisses Schema konnte sie dadurch aufstellen, doch es war kompliziert. "Verwirrend.", gab sie ihm als Antwort und hatte immer noch damit zu tun, alles wieder zuzuordnen. Sie hatte sich das alles etwas einfacher vorgestellt ... die Menschen waren doch seltsame Wesen. "Warum gibt es das? Jeder ist doch wichtig für ein Volk, warum die Schichten?", fragte sie ihn. Egal was sie auch tat, einen wirklichen Sinn sah sie dahinter nicht.

"Weil irgendjemand, frag mich nicht wer, ich weiß es nicht, irgendwann mal entschieden hat das nicht alle Menschen gleich sind, das es Menschen gibt dir mehr wert sind, welche vom besseren Blut..." Er seufzte. "Nehmen wir den König... der König sucht sich seine Frau meistens zu der Zeit wenn sein Vater sein Amt aufgibt. Seine Frau darf er sich allerdings nur in der Oberschicht suchen, denn alles darunter würde die Blutlinie verschmutzen. Der Fleischgewordene Engel... nun, jedes Mal wenn unser religiöses Oberhaupt stirbt verschwinden einige Weise in eine geheime Kammer und wenn sie fertig sind ist einer von ihnen das neue Oberhaupt. Und der Aufstieg... natürlich ist das etwas seltsames, denn wenn aufeinmal ein Sklave in die Bürgerschicht hinaufgebracht wird muss das gerechtfertigt sein. Für gewöhnlich heißt es dann das sein Blut doch rein war und es ein Fehler war das er ein Sklave ist... so war es auch bei mir nachdem ich meine Stärke bewiesen habe." Er beugte sich vor, griff nach einem Stock und ritzte etwas in eine freie Fläche vor sich. "Das hier oben ist die Oberschicht, also jene Menschen die sozusagen ein gutes Leben führen..." Er zeichnete einen Pfeil von der Oberschicht zur Mittelschicht. "Die Oberschicht gibt an was benötigt wird und die Mittelschicht fertigt es an... die Arbeiter dafür..." Er zeichnete einen Pfeil von der Unterschicht zur Mittelschicht. "Bekommen sie aus der Unterschicht... und von der Unterschicht aus..." Ein weiterer Pfeil von der Unter zur Oberschicht. "Werden auch Leute in die Paläste gebracht um dort als Diener zu arbeiten... manchmal unter ziemlich schlechten bedingungen. Die größte Sorge unserer Gemeinschaft ist das Chaos." Er machte einen Strich durch die Zeichnung. "Wir haben eine Währung in Form von Gold, wer Gold hat kann damit vieles tun... aufgrund dessen hat man Angst das alles zusammenbrechen wird wenn es keine feste Ordnung mehr gibt. Wir sind zu gierig als das wir eine gleichgestellte Gemeinschaft bilden könnte, denn die meisten Menschen denken nur an sich.

Lanaya hörte ihm genau zu. Nach dem sie seinen Worten genau gelauscht hatte und sich die Zeichnung ansah, verstand sie endlich. "Das ist ja furchbar ...", sagte sie mehr zu sich als zu ihm. "Das heißt, wenn ich in der Unterschicht wäre, hätte ich die Wahl zwischen qualvollem Versuch aufzusteigen, umgebracht zu werden, erbärmlich zu leben oder zu sterben ...", stellte sie fest. Jetzt verstand sie auch, warum manche Menschen ihr Leben nicht wollten. Unter solchen Umständen würde sie auch nicht gerne leben. Doch was sie am meisten schockierte, war der Zusammenhalt. "Dann sind die Menschen nur eins, wenn sie untereinander für einander arbeiten?", fragte sie, da das nunmal ihr Schluss war. Dann würden aber die, welche nicht arbeiten konnte, sterben.

"Ja, erst dann sind wir eins... aber dann sind ja noch die Pariah." Er rammte den Stock in den Boden. "Niemand darf mit ihnen reden... das ganze geht auf eine Geschichte vor etlichen Jahrzehnte zurück... weil es dort einen Aufstand gegeben hat. Die Aufständischen wurden verdammt, man schnitt ihnen die Zunge aus auf das sie nie wieder ein Wort sagten, genau wie man nicht mit ihnen reden durfte... heute hat man das fortgesetzt nur ohne Zunge rausschneiden. Diese Kaste hat keinen wirklichen Sinn... sie ist nur eine widerliche Art von Strafe." Er sah sie an. "Und ja, es ist furchtbar... und darum werde ich auch nicht für so ein System kämpfen... nicht mehr..." Weil ihm mehr und mehr bewusst wurde wie dumm es war... wie grausam.

Lanaya nahm Neryll wortlos den Stock weg. Dann malte sie neben seiner Zeichnung ihre eignen vier Kästen auf. Der obere war der zweitkleinste, dann kam der zweite, dieser war der kleinste, der dritte war der größte und der letzte war der drittgrößte. Dann zeigte sie mit dem Stock auf den oberen. "Unsere Götter, Mutter, Vater, Schwester, Bruder.", begann sie zu erklären. "Mutter ist die Erde, die Natur an sich. Vater ist der Himmel mit seinen Sternen und der Sonne. Schwester sind die Tiere, welche uns helfen, uns erfreuen oder uns jagen. Bruder ist der Wind, das Wasser, der Blitz und das Feuer." Dann deutete sie auf das zweite Viereck. "Unser Hüter, König für euch, unser Hüter ist der weiseste von uns und der älteste. Er führt den Clan und unser Leben liegt oft in seinen Händen." Dann zeigte sie auf den größten Kasten. "Das Volk, wir alle. Die Jäger, die Heiler, Kinder, Frauen, Männer, Alte ... wir helfen untereinander und folgen unserem Hüter." Dann zeigte sie auf den letzten Kasten. "Die Clanlosen, Einzelgänger, Kari Madatre oder Marodeure, Silos."

"Ich verstehe..." Neryll lächelte sanft. "Euer Volk ist anders... ihr habt gelernt das es eine Ordnung gibt ohne sie aufzuzwingen." Er deutete auf den letzten Kasten. "Wobei es stets welche gibt die dagegen und gegen alles andere aufbegehren... sag, wie real sind eure Götter?"Er sah ihr in die Augen. "Hast du je ein wirkliches Wunder erlebt? Irgendetwas das man nur den Göttern zuschreiben kann?"

"Wie real muss ein Gott für dich sein?", fragte sie und ihr Blick wanderte zu ihm hinüber. "Ich sehe die Sterne, die mir den Weg weisen. Es gibt Kräuter um selbst die schlimmsten Wunden zu heilen. Ohne Tiere hätten wir keine Kleidung oder Nahrung, außer Beeren. Und der Wind ... er redet unaufhörlich mit dir." Sie schloss kurz die Augen und lauschte dem leisen flüstern, welches über die Wiese wehte. Anschließend sah sie ihn. "Für mich sind sie real. Sie sind immer bei mir, reden mit mir, weisen mir den Weg und helfen mir.", ihre Worten klangen fest überzeugt von dem, was sie sagte. "Und die Götter geleiten auch die Clanlosen. Sie hören sie auch reden, auch wenn sie es nicht wahr haben wollen, doch sie existieren und sie sind immer da."

Neryll schwieg eine ganze Weile. "Wieder etwas worin sich unsere Völker unterscheiden. Was für euch Gaben Gottes sind sind für uns Menschen völlig natürliche Dinge... die Sterne wurden geschaffen damit der Mensch auch bei Nacht wandern kann, die Kräuter sind nunmal Pflanzen die wachsen, Tiere leben sowieso nur um uns Menschen als Nahrung, Kleider und Hilfstiere zu dienen und den Wind hört kein Mensch mehr singen." Er sah zum Boden. "Ich kann den Wind hören, doch ich verstehe seine Stimme nicht, ich kann schon lange nicht mehr an Gott glauben, denn welcher Gott lässt zu das sein Volk sovieles Falsch macht? Wo ist die Gerechtigkeit?" Wieder schwieg er einen Moment und dann sah er sie an. "Würde es unseren Gott wirklich geben hätte er längst durch den fleischgewordenen Engel zu uns gesprochen und uns gesagt was wir falsch machen... das wäre ein Wunder gewesen... aber du hast recht." Er sah sich um. "Vermutlich ist die ganze Welt ein einziges Wunder..."

"Aber nichts wurde für uns allein geschaffen. Auch wenn wir etwas besonderes sind, auf unsere Art und Weise, aber dennoch sind wir alle den Wunder unserer Götter untergeordnet." Sie ließ ihre Beine los und verschränkte sie in den Schneidsitz. Dann setzte sie sich aufrecht hin und legte ihre Hände in ihren Schoss. "Wir können nichts beeinflussen, weder die Pflanzen, noch die Tiere oder die Natur und wenn wir es versuchen, zeigt sie uns, das wir sie nicht beherrschen können.", erklärte sie ihm. Dann lächelte sie und hob ihren Zeigefinger. "Außerdem, man vergiss nie, auf etwas zu hören, was einen immer umgibt."

Neryll lachte. "Erklär das mal dem Rest der Menschheit, sie würden dich auslachen, dich steinigen oder hinrichten lassen, je nachdem wer dich in die Finger bekommt." Er sah sie an. "Die meisten Menschen sind nunmal so gebildet... unsere Religion wird von einem Buch bestimmt das einst der erste fleischgewordene Engel unter Gottes Augen geschaffen haben soll... wenn dem so ist bin ich mir sicher das einiges in dem Buch verändert worden ist..." Er seufzte. "Vielleicht sollten wir aufhören darüber zu reden..."