Schatten der Vergangenheit (Ly&Blacky)

"Und ob das schlechte Qualität ist. Da kann man genauso gut mit einem Stuhlbein kämpfen." Sie legte das Schwert beiseite und kam zu ihrer Schwester. Unter ihrem Umhang griff sie nach ihrem Schwert. Mit einem leisen gleitenden Geräusch fuhr es aus der Scheide und sie hielt es Velizita vor die Nase. "Das ist gute Qualität." Sie legte die Klinge auf ihren Finger und sie blieb ausbalanciert darauf liegen. Der Griff war mit feinem braunen Leder verziert, welches schon etwas abgenutzt aussah. Die Klinge stahlte, im Gegensatz dazu, in einem hellen silbernen Ton. In der Mitte der Schneide waren Wörter eingraviert `requiescat in pace´. Sie drehte das Schwert und ihre Hände legten sie an die messerscharfe Klinge. Alessa hielt ihrer Schwester den Griff hin. "Magst du mal?", fragte sie lächelnd.

Velizita zuckte mit den Schultern und nahm den Griff in ihre Hand. "Fasst sich ein bisschen leichter an, aber viel anders ist das meiner Meinung nach auch nicht."

Alessa lächelte ihre Schwester an. Sie hatte wirklich keine Ahnung. "Es ist leichter als deins, weil die Klinge schmaler ist und der Griff nur aus leichten Material gemacht ist. Dadurch, das es ausbalanciert ist, lässt es sich besser führen, da das ganze Gewicht nicht in der Klinge oder in der Hand liegt. An sich ist es leichter zu handhaben, kann man sagen." Sie wusste nicht, ob sie es verstand, was sie versuchte ihr zu erklären und die Wichtigkeit solcher Ding. Doch es war ihrer Erfahrung nach Wissen, was über Leben und Tod entscheiden konnte. Alessa ging zurück zu Velizitas Schwert und nahm es in die Hand. Es war schwerer und durch das erhöhte Gewicht im Griff, musste sie mehr Kraft aufbringen und darauf achten, das die Klinge ihr nicht nach oben abhaute. "Komm, greif mich an.", sagte sie lächelnd.

Velizita zog die Augenbrauen hoch und sah ihre Schwester verwirrt an. "Das soll jetzt wohl ein Scherz sein. Ich habe doch nicht die geringste Chance gegen dich."

"Komm schon oder hast du Angst?", sagte sie lächelte. Alessa ging in Angriffsstellung wartete. "Komm schon, Schwesterchen, ich bin auch nicht zu hart zu dir." Sie zwinkerte ihr zu. Ihre Stimme war herausfordernd und das wollte sie. Alessa wollte nur wissen, ob sich Velizita auch verteidigen könnte, falls es nötig war.

Velizita seufzte leise, doch sie nickte. "Wenn du es unbedingt drauf anlegst, Alessa."

"Sicher.", sagte sie lächelnd. Dann griff Alessa jedoch zuerst an. Sie machte es ihr einfach, zumindest fürs Erste. Jedoch steigerte sie langsam aber sicher, den Schwierigkeitsgrad. Machte es ihr immer schwerer und schwerer. Jedoch auf ihr volles Limit, würde sie nicht gehen, noch nicht.

Velizita versuchte sich so gut es ging zu verteidigen und sie merkte bald, dass Alessas Schwert wirklich besser war als ihr altes. Zugeben würde sie es aber trotzdem nie. Velizita schlug sich tapfer, parrierte Hiebe und konterte ab und zu, aber sie war dennoch vorsichtig. Auch wenn sie wusste, dass sie es wohl niemals schaffen würde, wollte sie ihrer Schwester keinen Schaden zufügen.

Alessa trimmte ihre Schwester ziemlich. Doch mit einem gekonnten Schlag, schlug sie das Schwert aus Velizitas Hand und hielt ihr die Klinge an die Brust. "Tod.", sagte sie kurz, ehe sie das Schwert ihrer Schwester drehte und ihr hinhielt. "Ich möchte mich damit nicht verteidigen, aber du hast dich gut geschlagen.", sagte sie lächelnd. Das ihre Schwester damit überhaupt trainieren konnte, war ein Wunder.

"Ich kann damit relativ gut umgehen. Irgendwann werde ich mir sicherlich ein neues Schwert kaufen, wenn du meinst, dass das so wichtig ist. Aber im Moment kann ich es mir einfach noch nicht leisten." Seufzend steckte sie das Schwert in die Scheide. "Sag mal... hast du eigentlich vorhin gesehen, wie Aragon dich angesehen hat? Ich meine, nicht dass das etwas besonderes wäre... er ist immer so bei Frauen."

"Ja, hab ich.", sagte sie und hob ihr eigenes Schwert auf. Dann verschwand es wieder in der Scheide unter ihrem Umhang. "Wieso?", fragte sie Velizita. Er wollte spielen und sie würde mitspielen, solange es lustig war. Es war eine willkommene Abwechslung, also, warum nicht.

Velizita zuckte mit den Schultern. "Ich dachte eigentlich eher, dass dich das stören würde."

Alessa lächelte sie an. "Wenn du solange gemeinsam mit Leo unterwegs bist, wie ich, dann stört dich soetwas schon lange nicht mehr." Leonardo war der Inbegriff von Lust und Liebe. Jedes Wort das er sagte, sollte genau das ausstrahlen und er war ein wahrer Meister darin.

"Na dann kann ich das natürlich verstehen." Nachdem was Leonardo gesagt hatte, als sie sich am Marktplatz trafen, war ihr das natürlich bewusst. "Ich habe ihn neulich am Marktplatz getroffen, bei der Versammlung."

"Ich weiß, als Luca.", sagte sie lächelnd. "Ich war unweit von euch beiden gewesen und habe jedes Wort gehört. Normalerweise verfallen ihm die Frauen danach, sicher war er etwas überrascht." Ihr Blick traf den von ihrer Schwester.

Velizita zuckte mit den Schultern. "Sicher ist er hübsch, aber weiter ist nichts dabei. Ehrlich gesagt macht er mir sogar etwas Angst. Er hat mir eindeutige Angebote gemacht, warum weiß ich bis jetzt immer noch nicht. Aber es interssiert mich auch nicht wirklich." Velizita bedeckte die zerschlagene Übungspuppe in der Decke im einem alten Leinentuch und sah zu ihrer Schwester. "Ich werde trotzdem noch einmal mit Aragon reden. Schließlich bist du meine Schwester und er soll dich nicht einfach für irgendetwas benutzen."

"Glaub mir Schwesterchen.", sagte Alessa und kam lächelnd zu Velizita. Dann legte sie ihr die Hand auf den Kopf und wuschelte etwas durch ihr Haar. "Mich lasse mich nicht benutzen, ich spiele und gewinne.", sagte sie zu ihr. Alessa hatte über die Jahre Gefallen daran gefunden zu spielen und dabei war sie sehr gut. Sicher würde sie Aragon nie nah genug an sich heran lassen, schon allein für seine Blicke könnte sie ihm ein Schwert zwischen die Augen rammen. "Mach dir mal keinen Kopf."

Velizita strich seufzend ihr Haar zurecht. "Ich hoffe wirklich, dass ich mich auf dich verlassen kann... sag mal... du hattest mir erzählt, dass du... du weißt schon... Menschen in den Tod beförderst. Muss das unbedingt sein? Ich meine... was, wenn du einmal entdeckt wirst? Oder was, wenn sie dich schon längst entdeckt haben?"

"Oh ich wurde schon entdeckt.", sagte sie und lehnte sich gegen die Wand. Sie stand ihrer Schwester gegenüber und hatte die Arme vor der Brust verschränkt. "Ich bin schon mehr als einmal um mein Leben gerannt. Denn wird man entdeckt, dann lautet die Strafe Tod, nachdem man dich etwa eine Woche noch gefoltert hat. Aber der Vorteil ist, das es so viele Tode gibt, auf Auftrag, das man selten deshalb verfolgt wird."

Velizita sah ihre Schwester völlig entsetzt an. "Man... hat dich gefoltert? Und du wirst verfolgt? Aber... das... das ist doch schrecklich..."

"Ich wurde meine Liebe.", sagte sie lächelnd. Dann kam sie zu ihr und schob ihren Umhang zurück. Sie legte dabei den Blick auf ihr Schwert und en Dolch frei, sowie auf die Tasche mit den kleinen Messern. Dann schob sie die Bänder auf ihrem Bauch zur Seite. Darunter lagen verborgen etliche tiefe Narben unterschiedlicher Größe. Das Muster zog sich auch bis hinauf zu ihren Schultern und ihre Arme. "Eine Erfahrung, welche ich nicht nochmal machen will."

Velizita betrachtete voller Entsetzen all die Narben und schon bald stiegen ihr die Tränne in die Augen. "Aber... aber warum? Warum machst du so etwas dann weiterhin?"

"Weil es mein Herr verlangt.", sagte sie dazu nur. Sie schob die Bänder wieder zurück und hüllte sich wieder in ihren Umhang ein. "Ich diene nunmal meinem Herrn, genau wie du. Und was er befielt, das tu ich."

"Aber... was ist das für ein Leben, Alessa? Ständig bringst du irgendwelche Leute um, nur weil es dir dein Herr befielt. Ununterbrochen wirst du von den Menschen gejagt, denen du etwas angetan hast. Du ziehst dir solche schweren Verletzungen zu... meinst du wirklich, dass das gut ist? Gut für dich?" Velizita machte sich große Sorgen um ihre große Schwester. Sie kannte Alessa nur allzu gut. Ihre Schwester war rebellisch, waghalsig und sich für nichts zu schade. Naürlich war das ihr Leben, ihr Unterhalt aber dennoch fand Velizita, dass es an dieser Stelle zu weit ging. Ihre Schwester sollte ihr Leben nicht so aufs Spiel setzen, indem sie sich viele Feinde machte.

"Es ist ein gutes Leben.", sagte sie zu ihr. Alessas Blick war ernst und vorallem ehrlich. "Ich bekomme alles von meinem Herren, was ich will. Ich habe Freiheiten, von der andere Sklaven nur träumen. Mein Herr rührt mich mit keinem Finger an, ich darf hingehen, wo ich will, ich kann alles bekommen, was mein Herz begehrt.", erklärte sie es ihr. Sie könnte es sich nicht vorstellen, so wie Velizita zu leben. Sie saß hier fest, diente ihrem Herren und hatte selber nicht viel vom Leben. "Ich lebe jeden Tag, kann die Welt sehen und Leute kennenlernen. Kannst du das auch?", fragte sie ihre kleine Schwester. "Und wenn du mich fragst, ist es das alles wert ... ja, ist es."